Beim 12. Hamburger Symposium Persönlichkeits­störungen wurden am 5. September 2015 der Hamburger Preis und die Hamburger Fellowship Persönlich­keits­störungen verliehen. Das Preisgeld in Höhe von insgesamt 15.000,- € wird jährlich von den Asklepios Kliniken Hamburg GmbH gestiftet und von der Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeitsstörungen (GePs) vergeben.

Die Preisträger 2015

Gruppenbild der Preisträger 2015

Von links: Prof. Dr. Stephan Doering (Vorsitzender der Jury), Dr. Ulrike Dinger, ausgezeichnet mit der Hamburger Fellowship Persönlichkeits­störungen 2015, Dr. Birger Dulz (Präsident der Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeits­störungen, GePs e.V.), Ass.-Prof. PD Dr. Melitta Fischer-Kern, ausgezeichnet mit dem Hamburger Preis Persönlichkeits­störungen 2015, Prof. Dr. Claas-Hinrich Lammers (Direktor des Asklepios Klinikums Nord). (Foto: GePs)

Die Jury

Die Verleihung der Auszeichnungen erfolgt für wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Persönlichkeitsstörungen, die den Schwerpunkt auf den klinischen Bezug der Untersuchung legen. Die Preisjury bestand aus Prof. Dr. Stephan Doering (Juryvorsitzender), Prof. Dr. Anna Buchheim, Prof. Dr. Sven Olaf Hoffmann und Dr. Birger Dulz (Präsident der GePs).


Hamburger Fellowship Persönlichkeitsstörungen 2015

Im Jahr 2015 wurden sechs junge Forscherinnen und Forscher aus Deutschland zur Präsentation ihrer Forschungsergebnisse nach Hamburg eingeladen. Die Themen der Studien reichten von diagnostischen und psychopathologischen Fragestellungen über eine fMRI-Untersuchung bis zu zwei Arbeiten aus der Forensik. Die Vorträge der Fellowship Bewerberinnen waren qualitativ sehr anspruchsvoll, wobei letztlich die klinische Relevanz der Ergebnisse den Ausschlag für die Gewinnerin gab.

Die Fellowship ging an Frau Dr. Ulrike Dinger aus der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik der Universität Heidelberg. Ihre Präsentation trug den Titel Was macht die „Borderline-Depression“ besonders? Eine Tagebuchstudie zu affektiver Instabilität und Reaktivität von depressiven Patienten mit und ohne Borderline Persönlichkeitsstörung.

Frau Dr. Dinger ist promovierte Psychologin und befindet sich in Ausbildung zur Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sie hatte zunächst im Rahmen einer Literaturübersicht (Köhling et al. 2015a) alle Studien gesichtet, in denen die Charakteristika von depressiven Erkrankungen mit komorbider Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) mit denen von Depressionen ohne komorbide BPS verglichen wurden. Auf dem Boden der Ergebnisse dieser Vorarbeit fokussierte sie in ihrem eigentlich Wettbewerbsbeitrag auf die affektive Instabilität und die Reaktivität der Stimmung auf definierbare Lebensereignisse als unmittelbare Auslöser der Stimmungsschwankung (Köhling et al. 2015b). Sie verglich 20 depressive Patientinnen mit BPS mit 20 Depressiven ohne komorbide BPS. Dafür nutze sie ein Tagebuchdesign, bei dem die Patientinnen mehrmals täglich von ihren Smartphones dazu aufgefordert wurden, online Einschätzungen ihrer Stimmung und potenziell auslösender Situationen anzugeben. Die Ergebnisse der Untersuchung waren auf den ersten Blick verblüffend: Die depressiven Borderline Patientinnen zeigten keine stärkeren Stimmungsschwankungen als die Depressiven ohne BPS. Allerdings konnten die Borderline Patientinnen weniger auslösende Situationen benennen – sie „wussten“ also weniger genau, was ihre Stimmungsschwankung verursacht hatte. Dieses Ergebnis kann durchaus unseren differenzialdiagnostischen Blick verändern; wir sollten bei depressiven Patienten weniger die affektive Instabilität als Indikator für eine komorbide Borderline Störung ansehen. Vielmehr sollten wir uns auch für die Auslösesituationen der Stimmungsschwankungen interessieren und dort, wo diese schlecht identifiziert werden können, eine tiefergehende Persönlichkeitsdiagnostik durchführen. Auch in der Psychotherapie der depressiven Borderline Patienten könnte sich der Fokus u.U. von der affektiven Instabilität ein wenig hin zur Wahrnehmung alltäglicher Einflüsse gehen.


Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen 2015

Bei der Vergabe des Hamburger Preises Persönlichkeitsstörungen 2015 sah sich die Jury erstmals mit einer besonderen Situation konfrontiert: Die Mehrheit der Jury-Mitglieder fühlte sich bei mehreren Bewerbern befangen. Daher wurden zwei ehemalige Hamburg-Preisträgen und ausgewiesene Experten im Feld gebeten, eine Stellungnahme zu den Einreichungen abzugeben. Dies waren Prof. Dr. Carsten Spitzer (Tiefenbrunn) und Prof. Dr. Klaus Lieb (Mainz). Beide kamen übereinstimmend zur gleichen Empfehlung hinsichtlich der besten Einreichung, die Jury folgte diesem Vorschlag.

Der Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen ging an Frau Ass.-Prof. PD Dr. med. Melitta Fischer-Kern aus der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien. Ihre Arbeit Transference-focused psychotherapy for borderline personality disorder: change in reflective function (Fischer-Kern et al. 2015) stellt einen Teil einer großen randomisiert-kontrollierten Studie dar, in der 104 Patientinnen mit Borderline Persönlichkeitsstörung entweder mit Übertragungsfokussierter Psychotherapie (TFP) oder unspezifischer Psychotherapie durch erfahrene Psychotherapeuten im Feld behandelt wurden. Frau Prof. Fischer-Kern untersuchte die Mentalisierungsfähigkeit der Patientinnen vor Beginn der Behandlung und nach einem Jahr Therapie. Verwendet wurde die Reflective Functioning Scale (RF Scale) auf dem Boden von Adult Attachment Interviews (AAI). Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Überlegenheit der TFP über die Kontrollbedingung, die Effektstärke für die Verbesserung des RF lag in der TFP-Gruppe bei d=0.54 vs. d=0.14 in der Kontrollgruppe. Damit konnte gezeigt werden, dass die TFP nicht nur die Symptomatik der BPS verbessern kann, sondern auch die Mentalisierungsfähigkeit positiv beeinflusst.


Rückschau – 10 Jahre Hamburg-Preis Persönlichkeits­störungen

Die Preise wurden in diesem Jahr zum 10. Mal verliehen, was Anlass zu einer kleinen „statistischen“ Rückschau gibt.
Die Fellowship wurde seit 2006 ausschließlich an Frauen und Psychologinnen verliehen, lediglich die diesjährige Preisträgerin hat neben dem Doktorgrad der Psychologie auch eine Approbation als Ärztin vorzuweisen. Der Hamburger Preis wurde zu 65% an Männer vergeben, wobei 55% Ärzte/Ärztinnen und 45% Psychologen/Psychologinnen waren. Die erfolgreichsten Universitäten waren Mainz und Heidelberg, die je dreimal ausgezeichnet wurden, zweimal gingen Preise nach Göttingen, München und Freiburg und je einmal kamen die Preisträger aus Köln, Kassel, Frankfurt, Mannheim, Hamburg, Berlin und Tübingen. Einmal kam der Preisträger aus der Schweiz (Bern), in diesem Jahr ging der Hamburger Preis nach Österreich (Wien).

Frühere Preisträgerinnen der Fellowship Persönlichkeitsstörungen, die zweckgebunden für einen Aufenthalt in einer international renommierten Forschungseinrichtung im Bereich der Persönlichkeitsstörungen vergeben wird, waren bei Prof. Otto F. Kernberg am Personality Disorders Institute der Cornell University New York sowie bei Prof. Mary C. Zanarini am McLean Hospital in Belmont, das der Harvard University in Boston assoziiert ist, zu Gast und haben wichtige Impulse für ihre eigene Forschung mit nach Hause gebracht.