Beim 19. Hamburger Symposium Persönlichkeitsstörungen wurden am 2. September 2023 der Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen und die Hamburger Fellowship Persönlichkeitsstörungen verliehen. Das Preisgeld in Höhe von insgesamt 15 000,– € wird jährlich von den Asklepios Kliniken Hamburg GmbH gestiftet und von der Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeitsstörungen (GePs) vergeben. Die Verleihung der Auszeichnungen erfolgt für wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Persönlichkeitsstörungen, die den Schwerpunkt auf den klinischen Bezug der Untersuchung legen.
Die Preisträger
Abb. 1: Von links: Prof. Dr. Claas-Hinrich Lammers (Ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik Nord Ochsenzoll), Dr. Tobias Kockler, ausgezeichnet mit der Hamburger Fellowship Persönlichkeitsstörungen 2023, Dr. Isabella Schneider, ausgezeichnet mit dem Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen 2023 und Prof. Dr. Stephan Doering (Vorsitzender der Jury) (Foto: Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeitsstörungen, GePs e.V.)
Hamburger Fellowship Persönlichkeitsstörungen 2023
Die mit 5000,– € dotierte Hamburger Fellowship Persönlichkeitsstörungen wird zweckgebunden für einen Aufenthalt in einer international renommierten Forschungseinrichtung im Bereich der Persönlichkeitsstörungen vergeben. Frühere Preisträgerinnen waren an den verschiedensten Orten zwischen den USA und Israel, z.B. bei Prof. Otto F. Kernberg am Personality Disorders Institute der Cornell University New York oder bei Prof. Arnoud Arntz an der Universität Amsterdam, zu Gast und haben wichtige Impulse für ihre eigene Forschung mit nach Hause gebracht.
Im Jahr 2023 wurden sechs junge Forscher:innen aus Deutschland und Österreich zur Präsentation ihrer Forschungsergebnisse
nach Hamburg eingeladen. Die Themen der Studien reichten von einer der Frage, ob das Empathiedefizit bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung angeboren oder erworben ist über den Zusammenhang von kindlicher Traumatisierung, Persönlichkeitsfunktion und Borderline-Symptomatik bis hin zur komplexen Netzwerkanalysen der Zusammenhänge von neurotischen Konflikten und Struktur. Die Beiträge der sechs Fellowship-Bewerber:innen waren enorm eindrucksvoll, methodisch auf sehr hohem Niveau sowie hervorragend präsentiert und diskutiert.
Ein Bewerber überzeugte die Jury jedoch besonders durch seine hochrelevante und methodisch findige Studie. Dr. Tobias Kockler ist Psychologe und als PostDoc am Karlsruhe Institute of Technology (KIT) im Mental mHealth Lab tätig. Zudem ist er Verhaltenstherapeut und hat bereits früh in seiner Karriere hochkarätig publiziert. Seine Arbeit mit dem Titel:
Instabilität des Selbstwertgefühls könnte für die Borderline-Persönlichkeitsstörung charakteristischer sein als affektive Instabilität: Ergebnisse einer Ambulanten Assessment-Studie im täglichen Leben von klinischen und gesunden Studiengruppen (Kockler et al. 2022)
ging der lange kontrovers diskutierten Frage nach, ob der Kern der Borderline-Pathologie in einer Emotionsdysregulation zu finden sei oder doch in der Selbstwertregulationsstörung, die als ein Aspekt der Persönlichkeitsfunktion angesehen werden kann. Es zeigte sich anhand von zehn täglichen ambulanten Assessments über mehrere Tage hinweg, dass die Emotionsdysregulation bei Borderline-Patient:innen ebenso wie bei Angstpatient:innen gestört ist, dass aber die Selbstwertregulation spezifisch bei der BPS gestört ist und zwar signifikant stärker als bei Angsterkrankungen (und gesunden Kontrollpersonen). Dieser Befund wirft ein neues Licht auf die »alte« Linehan-Kernberg-Diskussion zugunsten der Auffassung, dass doch eher die strukturelle Störung als die emotionale Instabilität den Kern der BPS ausmacht. Herr Dr. Kockler erhält mit der Hamburger Fellowship Persönlichkeitsstörungen 2023 die Chance zu einem Aufenthalt in einer internationalen Forschungseinrichtung im Bereich der Persönlichkeitsstörungen.
Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen 2023
Der Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen 2023 ging an Frau Dr. Isabella Schneider, die als Fachärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Heidelberg tätig ist. Sie hat in Aachen studiert und zu Autismus-Spektrum-Störungen promoviert.
Frau Dr. Schneider beschäftigt sich wissenschaftlich unter anderem mit einem enorm spannenden und wichtigen Thema: der Mutter-Kind-Interaktion bei Müttern mit BPS. Dabei geht sie akribisch in die Tiefe und verwendet ausgesprochen subtile Methoden empirischer Forschung, zum einen hinsichtlich des Mikroverhaltens, zum anderen mit Blick auf hormonelle und neuronale Veränderungen bei den Müttern.
Ihre Arbeiten sind deshalb so wichtig, weil sie uns helfen zu verstehen, wie wir Eltern mit Borderline-Persönlichkeitsstörung helfen können, ihre Kinder so gut wie möglich aufzuziehen, und weil sie uns ermöglichen, Präventionsprogramme zu entwickeln – und so die unselige Weitergabe der psychischen Erkrankung von Generation zu Generation zu unterbrechen.
Frau Dr. Schneider wurde für ihre Arbeiten Altered hormonal patterns in borderline personality disorder mother-child interactions (Bonfig et al. 2022), Stress and reward in the maternal brain of mothers with borderline personality disorder – a script-based fMRI study (Schneider et al. 2023b), und Microsocial analysis of dyadic interactions with toddlers and mothers with borderline personality disorder (Schneider et al. 2023a) ausgezeichnet.
In einem Vortrag stellte die Preisträgerin, Frau Dr. Isabella Schneider, ihre Arbeiten vor und nahm die mit 10 000,– € dotierte Auszeichnung von Prof. Dr. Claas-Hinrich Lammers, Ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll, Hamburg, entgegen. Das Preisgeld ist für weitere Forschungsprojekte im Bereich der Persönlichkeitsstörungen vorgesehen.
Jury und Stifter
Die Preisjury bestand aus Prof. Dr. Stephan Doering (Juryvorsitzender), Prof. Dr. Anna Buchheim, Prof. Dr. Babette Renneberg und Prof. Dr. Claas-Hinrich Lammers sowie beratend Prof. Dr. Matthias Nagel (für die Asklepios Kliniken Hamburg GmbH).
Das Preisgeld in Höhe von insgesamt 15.000,- € wird jährlich von den Asklepios Kliniken Hamburg GmbH gestiftet und von der Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeitsstörungen (GePs e.V.) vergeben. Die Verleihung der Auszeichnungen erfolgt für wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Persönlichkeitsstörungen, die den Schwerpunkt auf den klinischen Bezug der Untersuchung legen.
Der Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen 2024 und die Hamburger Fellowship Persönlichkeitsstörungen 2024 werden beim 20. Hamburger Symposium Persönlichkeitsstörungen verliehen.
Literatur und Quelle
Bonfig, J., Herpertz, S. C. & Schneider, I. (2022). Altered hormonal patterns in borderline personality disorder mother-child interactions. Psychoneuroendocrinol 143, 105822. -> LINK
Kockler, T. D., Santangelo, P. S., Eid, M., Kuehner, C., Bohus, M., Schmaedeke, S. & Ebner-Priemer, U. W. (2022). Self-Esteem Instability Might Be More Characteristic of Borderline Personality Disorder Than Affective Instability: Findings From an E-Diary Study With Clinical and Healthy Controls. J Psychopathol Clin Sci 131(3), 301–313. -> LINK
Schneider, I., Fuchs, A., Herpertz, S. C. & Lobo, F. M. (2023a). Microsocial analysis of dyadic interactions with toddlers and mothers with borderline personality disorder. Arch Womens Ment Health. -> LINK
Schneider, I., Herpertz, S. C., Ueltzhöffer, K. & Neukel, C. (2023b). Stress and reward in the maternal brain of mothers with borderline personality disorder: a script-based fMRI study. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. -> LINK
Quelle: Univ.-Prof. Dr. med. Stephan Doering Juryvorsitzender und Sprecher des Fachausschusses Forschung GePs e.V.